#Mietenwahnsinn-Hessen
Gemeinsam gegen Spaltung und Verdrängung – bezahlbarer Wohnraum für Alle!
„Im Mittelpunkt unserer Wohnungspolitik steht das Ziel, dass alle Menschen in Hessen eine gute Wohnung zu einem bezahlbaren Preis finden können“ – Dieses Ziel hat die schwarz-grüne Landesregierung in ihrem Koalitionsvertrag formuliert. Am Ende der Legislaturperiode ist klar: Sie hat dieses Ziel klar verfehlt.
Das Bündnis „Mietenwahnsinn-Hessen“ hat sich kurz vor der Landtagswahl 2018 gegründet, um auf die dramatische Situation auf dem Wohnungsmarkt hinzuweisen und der Politik konstruktive Vorschläge zur Lösung dieses Problems unterbreitet. Am Ende der Legislaturperiode steht nun fest: Es gibt keine Verbesserung, sondern die Situation hat sich für Mieter*innen noch weiter zugespitzt. In einer Situation, in der viele Menschen ohnehin unter der Inflation leiden, geht der Anstieg der Mieten ungebremst weiter. So haben sich z.B. die Angebotsmieten in Frankfurt innerhalb dieser Wahlperiode um fast 2 € pro Quadratmeter erhöht (https://de.statista.com/statistik/daten/studie/262508/umfrage/mietpreise-in-frankfurt-am-main/). Das heizt den Mietmarkt weiter an.
In den letzten 20 Jahren hat sich zudem die Zahl der Sozialwohnung in Hessen halbiert und in dieser Legislaturperiode sind mehr Wohnungen aus der Bindung gefallen als neue entstanden. Mehr als 50.000 Menschen stehen auf den Wartelisten für Sozialwohnungen. Weil sich die Baupreise und Kredit-Zinsen infolge der Corona- und Energiekrise erheblich verteuert haben, ist zu befürchten, dass der Bau von Sozialwohnungen komplett zum Erliegen kommt.
Mit Blick auf die Landtagswahl im Oktober 2023 hat das Bündnis „Mietenwahnsinn-Hessen“ seine Forderungen an die Landespolitik daher aktualisiert und appelliert erneut an die Parteien, das Thema Wohnen deutlich stärker als bisher in den Fokus zu nehmen. Denn von den immer weiter steigenden Mieten sind längst breite Bevölkerungsschichten betroffen. In Hessen zahlt fast jeder fünfte Hauptmieterhaushalt mindestens 40 Prozent seines Nettoeinkommens für Wohnzwecke. Besonders belastet sind dabei Haushalte, die erst kürzlich eingezogen sind, Einpersonenhaushalte und Haushalte in Großstädten. Durch Spekulation und Luxussanierungen nehmen Verdrängung und soziale Spaltung immer weiter zu. Damit ist auch der soziale Frieden gefährdet, denn für viel zu viele Menschen ist Wohnen zum Armutsrisiko geworden. Hinzu kommen die drastischen Erhöhungen der Kosten für Energie – immerhin werden nahezu 90% der Wohnungen fossil beheizt.
Wir fordern die Politik auf, endlich im Sinne der Mieter*innen zu handeln. Wohnen ist Daseinsvorsorge. Bund, Land und Kommunen haben die Aufgabe, das Menschenrecht auf Wohnen umzusetzen. Wohnungspolitik ist Sozialpolitik und die Versorgung mit menschenwürdigem Wohnraum darf nicht dem Markt überlassen werden. Wir fordern mehr öffentliche Investitionen in bezahlbaren Wohnraum und mehr Schutz für die Mieter*innen.
1. Mietanstieg stoppen
Der Mietanstieg muss wirksam und flächendeckend begrenzt werden.
Wir fordern:
· Die sofortige Einführung eines bundesweiten Mietenstopps für zunächst sechs Jahre.
· Eine konsequente Ahndung von unzulässigen Mietpreisüberhöhungen und Mietwucher. Dazu muss das Wirtschaftsstrafrecht verschärft werden.
· Ein Verbot von Indexmietverträgen bei Neu- und Wiedervermietung. Für bereits bestehende Verträge ist eine Kappungsgrenze einzuführen.
· Der Tausch von Wohnungen (klein statt groß bzw. umgekehrt) muss kostenneutral zu den bestehenden Mietpreisen ermöglicht werden.
· Mietspiegel mit nachvollziehbaren Regelungen zur Ermittlung, Ausweisung und Anwendung der Ver-gleichsmiete für alle Kommunen. Dabei sollten alle Mieten berücksichtigt werden, nicht wie bisher nur die neu vereinbarten der vergangenen sechs Jahre.
2. Bestand an Mietwohnungen sichern – Leerstand verhindern
Wohnraumzweckentfremdung und spekulativer Wohnraumleerstand müssen sofort unterbunden werden.
Wir fordern:
· Den umgehenden Erlass einer Zweckentfremdungsverordnung durch das Land.
· Die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen zu verhindern bzw. stärker als bislang zu erschweren.
· Leerstand zu unterbinden, eine Verpflichtung zur Vermietung bestehender Wohnungen einzuführen.
3. Keine Verdrängung durch Modernisierung oder energetische Sanierung
Aus Klimaschutzgründen ist eine Ausweitung der energetischen Gebäudesanierung notwendig.
Wir fordern:
· Die Kosten einer energetischen Modernisierung gerecht zwischen Vermieter*innen, Mieter*innen und öffentlicher Hand aufzuteilen und so die soziale Wärmewende zu ermöglichen.
· Den Gebäudebestand verlässlich auf den Klimazielpfad zu bringen und Mindesteffizienzstandards schnell einzuführen.
· Zusätzlich zur Weiterentwicklung der Bundesförderung für effiziente Gebäude auch Landesförderprogramme für eine sozial gerechte und zielkonforme Förderkulisse zu schaffen.
· Programme zur energetischen Modernisierung von Sozialwohnungen, öffentlichen Gebäuden und gemeinnützigen Einrichtungen aufzulegen.
· Sich auf Bundesebene dafür einzusetzen, dass die Modernisierungsumlage endlich abgeschafft wird.
4. Zwangsräumungen verhindern – Kündigungsschutz verbessern
Alle Mieter*innen müssen wirksam vor unberechtigter Kündigung und Räumung geschützt werden.
Wir fordern:
· Die hessenweite Einrichtung kommunaler Fachstellen zur Verhinderung von Wohnungsverlust.
· Die weitestgehende Vermeidung von Wohnungsräumungen und anschließender Wohnungslosigkeit.
· Sich auf Bundesebene dafür einzusetzen, dass die Möglichkeiten zur Kündigung wegen Eigenbedarfs auf wenige begründete Fälle eingeschränkt wird.
5. Bekämpfung von Obdachlosigkeit
Der Beschluss der EU-Kommission von 2020, die Obdachlosigkeit in der EU − und damit auch die in Hessen − bis 2030 zu beseitigen, muss umgesetzt werden.
Wir fordern:
· Die Entwicklung und Etablierung eines hessischen Aktionsplans gegen Obdachlosigkeit mit konkreten Maßnahmen.
· Ein Landesförderprogramm für soziale Wohnraumhilfen, um Menschen in besonderen Lebenslagen Wohnraum zu vermitteln.
6. Sozialen und bezahlbaren Wohnungsbau deutlich ausweiten
In Hessen müssen innerhalb der nächsten 10 Jahre jährlich mindestens 15.000 zusätzliche Sozialwohnungen geschaffen werden, durch Um- oder Neubau bzw. die Ausweitung oder den Rückkauf von Belegrechten. Derzeit ist allein der Wohnungsneubau keine Entlastung mehr, denn es wird wegen der steigenden Kosten immer weniger gebaut.
Wir fordern:
· Dass die Sozialbindung endlich zeitlich unbefristet wird, d.h. in eine dauerhafte Bindung übergeht.
· Eine stärkere Förderung neuer Wohnformen sowie Förderprogramme für barrierefreies, inklusives und altersgerechtes Wohnen, mit Zielmieten, die auch für Rentenbezieher*innen bezahlbar sind.
· Ausreichenden und bezahlbaren Wohnraum für Auszubildende und Studierende sicher zu stellen.
· Vom Land als Arbeitgeber mit gutem Beispiel voranzugehen und genügend angemessene und bezahlbare Wohnungen für seine Bediensteten zu schaffen und damit auch den Bestand öffentlicher Wohnungen zu erhöhen.
· Die Schaffung von Werkswohnungen zu fördern.
· Mehr bezahlbaren Wohnraum für Menschen mit mittleren Einkommen zu erstellen.
· Dass in allen Kommunen Sozialwohnungen geschaffen werden müssen. Dafür sollte das Land entsprechende Rahmenbedingungen schaffen.
· Schaffung von bezahlbarem Wohnraum durch Umbau leerstehender Gewerbe- und Bürogebäude.
7. Übernahme tatsächlicher Mietkosten für Haushalte im Sozialleistungsbezug
Haushalte mit Bürgergeld oder Grundsicherung erhalten oftmals nicht die tatsächlichen Kosten für ihre Wohnung.
Wir fordern:
· Eine Übernahme der tatsächlichen Miete, bei der die Mietpreisentwicklung genauso wie die stetig steigenden Mietnebenkosten berücksichtigt wird.
8. Senkung der Nebenkosten
Die Nebenkosten haben sich längst zu einer zweiten Miete entwickelt.
Wir fordern:
· Die Grundsteuer nicht mehr auf die Mieter*innen umzulegen. Sie muss als reine Eigentumssteuer ersatzlos aus der Betriebskostenverordnung gestrichen werden. Die hessische Landesregierung hat sich für eine entsprechende Änderung der Betriebskostenverordnung auf Bundesebene einzusetzen.
· Gesetzliche Verpflichtungen für Vermieter zu schaffen, alle Einsparpotentiale zu nutzen.
· Mindesteffizienz-Standards einzuführen.
9. Keine Ausgrenzung auf dem Wohnungsmarkt
Der Zugang zu Wohnraum wird zusätzlich durch Rassismus und Diskriminierung erschwert.
Wir fordern:
· Dass Hindernisse auf dem Wohnungsmarkt abgebaut werden und ein gleichberechtigter Zugang zu bezahlbarem Wohnraum für alle ermöglicht wird – unabhängig von Aufenthaltstitel, Einkommen und Lebenslage und anderen diskriminierenden Faktoren.
· Dass die Kommunen verpflichtet werden, mindestens zehn Prozent der Sozialwohnungen für Menschen in besonderen Lebenslagen bereitzustellen.
10. Lebenswerte Nachbarschaften in ganz Hessen für alle gestalten
Um lebenswerte Wohnverhältnisse zu schaffen, muss die Infrastruktur verbessert werden.
Wir fordern:
· Ausreichende Grün- und Freiflächen sowie kulturelle Freiräume zu erhalten und neu zu schaffen.
· Die Attraktivität des ländlichen Raumes durch ausreichende Bildungsangebote, soziale Angebote, gute Infrastruktur und bezahlbare und bedarfsgerechte Mobilitätsangebote zu steigern.
11. Sozialgerechte Bodenvergabe hessenweit einführen
Öffentliche Liegenschaften und Wohnungsbestände dürfen nicht privatisiert werden, gleichzeitig muss der Bestand durch Neuerwerb von Liegenschaften durch die öffentliche Hand ausgeweitet werden.
Wir fordern:
· Die Vergabe öffentlicher Grundstücke vorzugsweise an öffentliche, genossenschaftliche und gemeinnützige Wohnungsgesellschaften.
· Darüber hinaus sollen öffentliche Liegenschaften nur auf Erbpachtbasis und nach Konzept an diejenigen vergeben werden, die sich verpflichten, sozialen und bezahlbaren Wohnraum zu schaffen.
· Die Einrichtung eines Landes-Bodenfonds, um Grundstücke dem Markt zu entziehen. Kommunen können beim Erwerb unterstützt werden.
· Regelwerke für eine sozialgerechte Bodennutzung in der Stadtplanung, um Entwickler*innen von Neu-bauprojekten an den Kosten für die Erschließung und an den Folgekosten der öffentlichen Hand zu beteiligen. Sie sollten zudem verpflichtet werden, einen festgelegten Anteil an Sozialwohnungen zu errichten.
· Mehr Personal in den Planungs- und Genehmigungsbehörden, in der Bauverwaltung sowie bei der Wohnungs- und Bauaufsicht einzusetzen, um die Bearbeitung zu beschleunigen.
· Baulücken- und Leerstandskataster zwingend in den Kommunen einzuführen, damit möglicher Potentiale aufgedeckt werden.
12. Neue Wohnungsgemeinnützigkeit schaffen
Als Alternative zur renditeorientierten Wohnungswirtschaft muss, wie im Koalitionsvertrag der Bundesregierung festgehalten, umgehend eine Wohnungsgemeinnützigkeit eingeführt werden.
Wir fordern:
· Die soziale Zweckbindung von Wohnungen dauerhaft zu sichern und durch steuerliche Förderung, Privilegien bei der Grundstücksvergabe, öffentliche Zuschüsse und Kredite zu ermöglichen.
· Dass landeseigene und kommunale Wohnungsbaugesellschaften die Regeln der Gemeinnützigkeit über-nehmen und mittels Mieter*innen-Beiräten demokratisiert werden.
· Die Gründung neuer kommunaler, gemeinnütziger Wohnungsbaugesellschaften, um mehr Wohnungen im unteren und mittleren Preissegment zu schaffen.
13. Vergesellschaftung nach Artikel 15 Grundgesetz
Um Verdrängung entgegenzuwirken, ist die Vergesellschaftung von Grund, Boden und renditeorientierten Wohnungskonzernen gemäß Artikel 15 GG als letztes Mittel zu nutzen. Das Instrument der Vergesellschaftung soll lediglich für solche Wohnungseigentümer*innen und Wohnungsunternehmen genutzt werden, die mit Wohnraum spekulieren, horrende Mietpreissteigerungen durchsetzen, Wohnraum leer stehen oder verwahrlosen lassen oder nicht ausreichend Instand setzen und darüber hinaus einen Wohnungsbestand von über 3.000 Wohneinheiten aufweisen. Nicht gemeint sind damit ausdrücklich private und verantwortlich agierende Wohnungsvermieter*innen und -eigentümer*innen.
Bündnispapier Mietenwahnsinn-Hessen – Forderungspapier zur Landtagswahl